Wenn Johannes Wiesmayer mit seiner Frau Lydia in einem Restaurant isst, dann kann es schon vorkommen, dass er aufsteht und in die Küche geht. Aber nicht, um sich über das Essen zu beschweren, ganz im Gegenteil. Er bietet dem Koch Wildfleisch, Topinambur und bunte Rüben an. Dort, wo die Großstadt das Land küsst – in Hennersdorf, zwei Kilometer südlich der Wiener Stadtgrenze – betreibt Wiesmayer seine Landwirtschaft. Seine Familie ist hier seit fünf Generationen sesshaft. Seine Großeltern haben die Landwirtschaft noch mit zehn Mitarbeitern betrieben.
Presse
Wir bedanken uns sehr herzlich für diesen wertschätzenden Artikel. 21.11.23
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MOST UND MELANGE
Bauer eröffnet Kaffeehaus am Hof in Hennersdorf
Am Wiesmayer-Hof in Hennersdorf im Bezirk Mödling geht man neue Wege. Auf dem Hof wird zu Most und Saft nun nämlich auch eine Melange serviert.
Mehr als 200 Hühner gackern rund um den Wiesmayer-Hof in Hennersdorf im Bezirk Mödling, sie liefern ökologisch wertvolle Eier. In weitläufigen Gehegen fühlt sich Damwild wohl. Alles in allem eine zertifizierte Bio-Idylle des Ab-Hof-Verkaufs (gespickt mit wertvollen Lebensmitteln) und Spezialitäten im eigenen Wirtshaus. „Wir wollen kulinarisch für jeden Geschmack etwas bieten“, versichern Lydia und Hannes, die ihr Öko-Paradies jetzt um ein Kaffeehaus erweitert haben. Und zwar stilecht im alten Gewölbekeller. Dort wird jeden Freitag und Samstag Frühstück serviert.
Mittags werden jeweils ein „wildes“ und ein vegetarisches Menü kredenzt. Wiesmayer hat sich damit auch selbst ein Geschenk gemacht - er feiert am Samstag seinen 50er. Auch wir von der „Krone“ gratulieren.
Kronenzeitung 1.7.20
Am Montag 15.3.2021 besuchte uns ein nettes TEAM des ORF und drehte einen kleinen Beitrag über unser Tun. Wir sind sehr gespannt, was es am Freitag um 18.30 in der Sendung Konkret ORF 2 zu sehen geben wird....
Der Topinamburbauer vor den Toren von Wien
Regelrecht begeistert ist Johannes Wiesmayer von seinem Topinambur: „Die sind ja wirklich schön“, sagt er mehr als ein Mal, als er mit der Mistgabel einige Knollen aus der Erde holt und sie zwischen seinen Fingern hin und her dreht: Knapp 20 Zentimeter lang und ein paar Zentimeter dick sind die fingerähnlichen Wurzeln, die in der Form an Ingwer erinnern. „Es ist sonnig, es ist trocken“, sagt Wiesmayer. „Ein optimaler Tag zum Ernten wäre heute.“
Ein Teil des kleinen Felds in Hennersdorf im Süden von Wien, nur wenige Hundert Meter von der Stadtgrenze entfernt, ist bereits abgeerntet. Von Oktober bis April werden die Knollen üblicherweise geerntet. Reihe für Reihe holt Wiesmayer mit seiner Frau Lydia über den Winter die Topinamburen – so der korrekte Plural – aus der Erde. „Sie sind nämlich winterhart, aber nicht lagerfähig“, erklärt Wiesmayer.
Den Umgang mit dem Topinambur hat sich der 46-Jährige in den vergangenen drei Jahren autodidaktisch angeeignet – unter anderem mittels Internet, wie er mit Verve erzählt („Ich bin ein YouTube-Bauer“, scherzt er). Denn Wiesmayer ist zwar ein Bauernbub, der Hof, auf dem er mit seiner Familie lebt, in sechster Generation im Familienbesitz. Den eigentlichen Betrieb mit den Ackerflächen hat allerdings sein älterer Bruder übernommen.
Feldarbeit erdet
Zurück zur Landwirtschaft kam der Jüngere, der unter anderem in der Automobilbranche arbeitete, übers Wild. Als der passionierte Jäger vor mittlerweile 15 Jahren erfuhr, dass große Teile des verspeisten Wilds hierzulande gar nicht aus Österreich kommen, startete er mit einem Damwildgehege, bei dem er mit dem E-Auto auf dem Weg zum Topinamburfeld kurz anhält. „Irgendwann wurde dann der Wunsch größer, etwas anzubauen“, erzählt er. „Und es ist einfach total schön, das erdet einen regelrecht.“
Dass es letztlich Topinambur wurde – und nicht, wie in der Umgebung üblich, etwa Getreide –, hat verschiedene Gründe. Den Preis, die Tatsache, dass es ein Produkt ist, das man verkaufen (und essen) kann, ohne es vorher verarbeiten zu müssen. „Und wenn die Profibauern lachen, dann bin ich auf dem richtigen Weg“, sagt Wiesmayer und lacht selbst. „Das kannst nicht anbauen, das wuchert ja so“, habe er vor drei Jahren gehört. „Und ich habe mir gedacht: Das ist ja herrlich!“ Kleinere Knollen lassen die Wiesmayers in der Erde – sie treiben im Frühling aus. „Wir sind da verschwenderisch“, sagt er, als er übers Feld geht und auf die vielen kleinen Knollen zeigt.
Im Sommer ist die Pflanze mit ihren dunkelgrünen Blättern und gelben Blüten dann bis zu drei Meter hoch. „Das ist total schön“, sagt Wiesmayer. Mit den Erdäpfeln hat der Topinambur nichts zu tun – außer vielleicht bei der ungefähren Herkunft: Die Pflanze, die im 17. Jahrhundert aus Nordamerika nach Europa gebracht wurde, gehört zu den Korbblütlern, konkret zur Gattung der Sonnenblume. Ein Vorteil für Wiesmayer: „Der Topinambur hat eigentlich keine natürlichen Schädlinge. Wir würden gar nicht in Versuchung kommen, zu spritzen.“
Seine Knollen sind freilich sowieso biozertifiziert. Und werden laut Wiesmayer von Jahr zu Jahr schöner. „Vielleicht hilft es, dass wir den Topinambur gleich neben der Kapelle angebaut haben“, scherzt er. Wachsen lässt Wiesmayer die Pflanze in Zeilen, wie Kartoffeln. Und auch geerntet wird mit einer Erdäpfelerntemaschine. „Da fährt der Schwiegervater mit dem Traktor, wir beide stehen hinten drauf“, sagt Lydia Wiesmayer-Fuchs. Und hintennach, wenn möglich, die Kinder. „Vor allem der Jüngste, unser 13-Jähriger, kommt oft dran“, sagt sie und schmunzelt.
In der Spitzengastronomie
Der Körper muss sich an die Knollen übrigens erst langsam gewöhnen. Zu viel auf einmal kann zu Blähungen führen, das liegt an dem Ballaststoff Inulin, von dem Topinambur relativ viel enthält. Die Knolle schmeckt leicht nussig. Roh erinnert sie an Kohlrabi, gekocht ergibt sie beispielsweise eine samtige Suppe, frittieren geht auch. Schälen muss man Topinambur nicht unbedingt. „In der Spitzengastronomie wird er häufig nur abgebürstet“, sagt Wiesmayer. Dorthin liefert er einen Teil seiner Topinamburen. Abnehmer sind – neben anderen Restaurants wie dem Yamm! – etwa das Steirereck und das Tian in Wien. Auch wenn er viele Kontakte schon durch das Wild geknüpft hat, sagt Wiesmayer: „Das ist ein Knochenjob – da muss man von Tür zu Tür gehen.“
Es scheint jedenfalls zu funktionieren – wenngleich das Topinamburgeschäft keine riesigen Ausmaße hat. Auf rund 8000 Quadratmetern bauen die Wiesmayers die Knolle an, unter anderem auch in Zwölfaxing („Das ist wieder einer, dem du gefällst und der dir ein Feld gibt“, sagt Wiesmayer-Fuchs.). Wenn es nicht geklappt hätte, wäre es auch nicht so tragisch gewesen, sagt Johannes Wiesmayer. Er hat mit 2500 Quadratmetern angefangen. „Und jedes Hobby kostet etwas.“
Inzwischen liebäugelt er allerdings wieder mit neuen Ideen. Bunte Rüben werden schon angebaut. Und ein Koch vom Steirereck habe ihm vor ein paar Tagen gesagt, er möge doch Yamswurzeln anbauen. Interessiert ihn das? „Ich hab ja jetzt einmal den ganzen Winter Zeit zum Überlegen“, sagt Wiesmayer. „Und zum YouTube-Schauen“, scherzt seine Frau.
Topinambur
Johannes Wiesmayer baut mit seiner Frau Lydia in Hennersdorf Topinambur und bunte Rüben an. Gestartet hat er 2004 mit einem Damwildgehege. Verkauft wird samstags im Hofladen. In der dortigen „Maloase“ werden außerdem Kindergeburtstage und Ferienbetreuung angeboten. Alle Infos dazu online: www.wiesmayer-wild.at.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2018)
BERICHT IN DER BAUERNZEITUNG 07.03.2019
Bei Johannes Wiesmayer im südlichen Niederösterreich bekommt man ehrliche Wildprodukte – ganz ohne Zugabe von Schwein oder Rind. Das schätzt vor allem auch die Spitzengastronomie
In Hennersdorf geht es wild zu
Johannes Wiesmayer wollte wissen, woher das Essen kommt, das er zu sich nimmt. Als er erfuhr, dass ein Großteil des verarbeiteten Wildes nicht aus Österreich stammt, begann der leiden-schaftliche Jäger vor 16 Jahren mit der Dammhirschzucht und mit der Verarbeitung des Wildes befreundeter Jäger.
Dabei verlief sein Lebensweg bis dahin ganz anders, obwohl er in eine bäuerliche Familie geboren wurde. In seiner Kindheit war immer klar, dass sein älterer Bru- der den Hof übernehmen wird. „Ich bin von der Landwirtschaft ferngehalten worden. Dann wollte ich unbedingt Förster werden, aber das ist mir ausgeredet worden“, erinnert sich der Hennersdorfer. So arbeitete er lange in der Automobilbranche, bis ihn seine eigentliche Berufung letzt- endlich doch einholte. Heute be- treiben er und sein Bruder zwei unabhängige landwirtschaftliche Betriebe in Hennersdorf.
Autodidakt und leiden schaftlicher Jäger
Wiesmayer ist in allem Autodidakt, hat sich viel abgeschaut und vieles durchs Tun gelernt. Weiterentwickelt hat er sich bei der Verarbeitung seines Fleisches. Er wollte Wild in seiner ursprünglichsten Form, ohne Zugabe von Rind- oder Schweineprodukten. In Fleischermeister Hödl aus Wien-Liesing fand er einen Partner, der seinen Weg mitgeht: „Er hat eine Achtung vor den Tieren, das merkt man sofort. Dank seiner Infrastruktur macht er uns die Verarbeitung“, so Johannes Wiesmayer. Für die Zugabe zu den Wildwürsten, Bratwürsten oder der Wilden Wiener verwendet er auch spezielle Bio-Gewürze, die extra für ihn zusammengestellt wurden.
Neben den bekannten Reh-, Hirsch- und Wildschweinerückenfilets versuchen die Wies- mayers, das Stück Wild in seiner Gesamtheit zu verwerten. So gibt es eine breite Produktpalette: Schlöglteile ausgelöst, Schnitzel geschnitten, Premiumragout von Schulter und Hals sowie Rollbraten von Schulter und Bauch. All das wird frisch, vakuumverpackt und in haushaltsgerechten Einheiten angeboten.
Weiters gibt es neben Wildsalami, Wildsteiger und Wildwurz'n diverse Brat- und Brühwürste, aber auch Geräuchertes vom Wild und den bekannt „pikanten Wildleberkäs“. Wiesmayer: „Zu unseren besonderen Spezialitäten gehört aber unser hausgemachtes Gulyás von Hirsch, Reh oder Wildschwein, welches wir frei von Konservierungsmitteln, in jeder Menge und auf Wunsch auch gern in Warmhaltern, anbieten können. Sehr beliebt sind auch die Wild-Sughi, die aus der schnellen Pasta-Küche ein gelungenes und gesundes Wildessen machen.“
Topinambur als Ergän zung zum Wild
Neben den Fleischprodukten überlegte er vor vier Jahren, ein Feld zu bestellen. Aber nicht mit Getreide, sondern mit der in Niederösterreich kaum verbreiteten Topinambur. „Es ist toll, wenn unsere erdige Rübe zur Delikatesse wird“, freut sich der 48-Jährige. Auch Erdäpfel werden hier ganz nahe an der Stadtgrenze angebaut. „Viele jammern über Wien, aber ich sehe die Nähe als eine Chance für uns“, meint Wiesmayer. Seit Kurzem tummeln sich auch 140 Biohennen bei ihm am Hof, sie versorgen die Kunden im Ab-Hof-Verkauf mit Bio-Eiern. Seine Produkte sind in der Wiener Spitzengastronomie (Steirereck, Palais Coburg, Tian oder Yamm ...) gut angekommen.
Corona ließ zwar den Umsatz in der Gastronomie nahezu wegbrechen, dafür entwickelte sich der Ab-Hof-Verkauf so toll, dass auch die Öffnungszeiten erweitert wurden. Jeden Mittwoch- nachmittag und jeden Samstagvormittag öffnen Wiesmayer und seine Frau Lydia ihren Hof laden. Weiters werden in der dortigen „Maloase“ auch Kindergeburtstage, Reitpädagogik und Feriencamps angeboten. Lydia und Johannes Wiesmayer haben sich ihren Traum verwirklicht: „Man ist in der Landwirtschaft von vielen Faktoren abhängig, aber man sieht die Vegetationsperiode. Es ist jeden Tag eine Freude – oder auch nicht.“
Autorin: Bettina Kreuter